Was ist Faschismus?

Der Begriff Faschismus wird heute immer wieder ziemlich befreit von jedem Inhalt genutzt. Aber auch innerhalb der antifaschistischen Strömung sehen wir immer wieder historisch fragwürdige Vergleiche (leben wir wirklich in den zweiten 20er Jahren?) und Rückgriff auf Theorien & Schlagwörter, die den Test der Zeit nicht bestanden haben.

Wir denken als Antifaschist*innen ist es wichtig und Teil unserer Aufgabe diesen Begriff mit eigenem Inhalt zu füllen und zu nutzen. Ein Blick in die Forschung zu Faschismus macht allerdings nicht gerade Lust und Laune: Es gibt eine recht unübersichtliche Masse an Definitionen und die Forschung an sich ist ziemlich verzweigt in unterschiedliche zum Teil gegensätzliche Standpunkte.

Aber um Faschismus heute zu erkennen, benennen und zu bekämpfen braucht es ein allgemeines Grundverständnis und darüber hinaus mehr Thesen & Debatten in antifaschistischen Kreisen. Dazu wollen wir hiermit beitragen. Aufgeteilt ist der Textes folgendermaßen:

  1. Wann und was? – ein kurzer und unvollständiger Geschichtsabriss
  2. Aktuelle Definitionen von Faschismus
  3. Was wir heute für faschistische Merkmale sehen
  4. Begriffe und Quellen

Das was wir schreiben ist sicher nicht die endgültige Antwort auf alle Fragen zu dem Thema. Es spiegelt eher das, was wir gerade wissen. Und es soll auch als Werkzeug oder Anstoß für andere dienen. Daher freuen wir uns über Anregungen, Anmerkungen, Kritik und Debatten – schreibt uns gerne!


Wann und was?
Ein sehr kurzer Geschichtsabriss

1919 – 1945

Faschismus entstand ursprünglich in Italien und ist nach den Kampfbünden fasci di combattimento unter Benito Mussolini benannt. Oft wird auch das fasces als Wortursprung benannt, eine Rutenbündel aus dem antiken Rom. Das stimmt nur zum Teil, aber die Faschisten griffen dieses Symbol auf. Diese männlichen Kampfbünde, meist aus Veteranen des ersten Weltkriegs bestehend, waren stramm unter einem Führer organisiert und gingen mit Gewalt gegen ihre politischen Feinde vor.

Ein Mitgliedsausweis der Fasci di Combattimento

In den 1920er und 1930er Jahren entstanden weltweit Gruppen, die im Kern einen Ultranationalismus hatten. Sie versuchten die politische Macht in ihren jeweiligen Nationalstaaten zu Erlangen. In Italien, Deutschland und Spanien gelang das den jeweiligen faschistischen Bewegungen auf unterschiedliche Weisen. In Spanien gab es einen blutigen Bürgerkrieg, in Deutschland und Italien eine Mischung aus Wahlerfolgen und Machtübernahme. Sie alle bildeten schnell Diktaturen heraus. Die Folgen davon sind uns allen gut bekannt, der verheerendste Krieg der Menschheit und insbesondere im nationalsozialistischen Faschismus mit den Konzentrationslagern die größte gezielte Massenvernichtung von Menschen.

die Tore des Konzentrationslagers Ausschwitz

Neben diesen drei Diktaturen entstanden in den 1920er bis 1930ern in vielen Nationen eigene faschistische Bewegungen. Dazu zählen unter anderem das Mouvement franciste in Frankreich, die Eiserne Garde in Rumänien, die Ustascha in Kroatien, die Pfeilkreuzer in Ungarn oder die British Union of Fascists. Einige dieser faschistischen Organisationen errichteten im zweiten Weltkrieg kurzlebige Diktaturen mit Hilfe des Deutschen Reichs. Sie kooperierten bei der Besatzung und unterstützten politische Verfolgung, Genozid und Holocaust.

Trotz Ähnlichkeiten und Überschneidungen waren die europäischen faschistischen Diktaturen nie komplett gleich. Im Nationalsozialismus spielte so zum Beispiel der Antisemitismus eine bedeutend größere Rolle als in den Anderen. Der Spanische Faschismus beteiligte sich nicht als Kriegspartei am zweiten Weltkrieg, zusätzlich wird er, so wie die Eiserne Garde teilweise dem Klerikalfaschismus zugeordnet, welcher sich durch die große Rolle auszeichnet, welche den Kirchen (katholische in Spanien, rumänisch-orthodoxe Kirche in Rumänien) in den jeweiligen Ideologien zukommt.

Bis heute wird diskutiert in wie weit der Begriff Faschismus für nationalistische Bewegungen außerhalb Europas zutreffend ist. Beispiele dafür sind Die Ossewabrandwag Bewegung in Südafrika oder die Syrische Soziale Nationalistische Partei. Ob der Ku-Klux-Klan in den USA ein früher Vorreiter des Faschismus war oder ob das Kaiserreich Japan als faschistisch einzuordnen sind werden bis heute ebenfalls diskutiert.

ab 1945

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Faschismus Begriff weiter genutzt, insbesondere in der radikalen Linken. So wurden zum Beispiel Militär Diktaturen in Lateinamerika als faschistisch oder faschistoid4 bezeichnet, z.B. die Militärdiktatur Pinochets in Chile (1973-1989), die Fujimoristas in Peru (1990-2000) und die Contras (aktiv 1979 bis 1990) in Nicaragua. Diese Beispiele finden alle vor dem Hintergrund des Kalten Krieges statt zwischen UdSSR und USA, die Militär Diktaturen wurden oft unterstützt durch CIA und richteten sich gegen sozialistische bis kommunistische Bewegungen. Parallel dazu verbreitete sich ab den 60er in der deutschen radikalen Linken die Nutzung des Konzepts der “Faschisierung”3, was grob gesagt davon ausging, dass Westdeutschland Stück für Stück sich zum Faschismus entwickelt, ohne einige historische Kernelemente wie einer Massenbasis.

Beim Projekt zweiteroktober90 findet sich eine Sammlung rechter Gewalt in der Nacht der deutschen Wiedervereinigung

Mit der deutschen Wiedervereinigung einher ging ein Erstarken des Neonazismus, also einer politischen Ideologie, die sich positiv auf den Nationalsozialismus bezieht. Von Hoyerswerde 1991, Rostock-Lichtenhagen 1992, Mölln 1992 bis Solingen 1993 – die 1990er Jahre sind heute in Erinnerung geblieben als Straßengewalt Phase unter dem dazu passenden Namen Baseballschläger Jahre. In dieser Zeit radikalisierte sich auch die Personen, die später die neonazistische Terrorgruppe National Sozialistischer Untergrund (NSU) und sein Umfeld bildeten. Das neonazistische Hoch hielt sich in den 2000er Jahren – es gab viele neonazistische Demonstrationen, Parteien wie die NPD erziehlen Wahlerfolge. Das ging so weiter bis in den Anfang der 2010er Jahre

Nazi Aufmarsch am 01.09.2009 in Ulm

In den 2010er Jahren findet ein Strömungswechsel statt. In dieser Zeit veröffentlich Thilo Sarrazin das Buch “Deutschland schafft sich ab”, was einen Grundstein für rassistisch geprägte Debatten um Migration legte. Björn Höcke veröffentlicht unter dem Pseudonym Landolf Ladig in einer NPD Zeitung Texte, in denen er das NS-Regime verherrlichte.

Immer präsenter wird eine Strömung, die meistens mit der selbstgewählten Bezeichnung “Neue Rechte” betitelt wird. Die “Neue Rechte” unterscheidet sich erheblich in ihrer Strategie im Vergleich zum Neonazismus. Zu Beginn der 2010er Jahre werden Gruppen oder Parteien dieser Strömung oft eher als rechtspopulistisch bezeichnet.

Diese Organisationen sehen sich als Gegenbewegungen gegen die moderne, globalisierte, liberale Welt. Dieser wird ein traditionelles (antifeministisches und queerfeindliches) und völkisches (rassistsches) Weltbild entgegengestellt. Um dafür notwendige Begriffe wie Patriotismus, Volk, usw. wieder positiv zu besetzten, wird sich mitunter auch positiv auf den Nationalsozialismus bezogen, dessen Parolen recycelt, oder dieser zumindest verharmlost, indem die Erinnerungskultur als “Schuld-Kult” abgetan wird. Mit diesem Schritt für Schritt normalisieren von faschistischem Denken hat vor allem die AfD immer größeren Erfolg bei Bevölkerungsgruppen, die in der Postmoderne den Anschluss verloren haben, aber auch bei denen, die durchaus noch Macht innehaben, aber befürchten ihre Vormachtstellung durch Krisen oder emanzipatorische Fortschritte zu verlieren.

Und da sind wir heute: Die AfD mit ihren christlich-fundamentalistischen1, marktradikalen6 und eben auch faschistischen Polen steht kurz vor dem Punkt meist gewählteste Partei auf Landesebene zu werden. Sicherlich treffen nicht alle historischen Merkmale von faschistischen Diktaturen komplette auf die Partei zu – Antifaschist*innen entgegenen dem heute: Die AfD ist so faschistisch, wie Sie es gerade sei kann.


Definitionen

von Faschismus


Bereits aus diesem kurzen, unvollständigen Geschichtsabriss lässt sich erkennen, dass es nicht so einfach ist den einen Faschismus zu definieren. Je nach Fokus und aus welcher Brille auf die drei faschistischen Diktaturen in Europa geschaut wird, kommt es zu anderen Erkenntnissen. Dementsprechend gibt es sehr viele Faschismus-Definitionen und Erklärungsansätze, die sich zum Teil komplett widersprechen. Einen guten Überblick dazu finden sich zum Beispiel in dem Buch und der Webseite Faschismustheorien von Mathias Wörsching.

In der Wissenschaft stehen sich beispielsweise Singularitäts-Theorien (grob: Faschismus ist ein einzigartiges historisches einmaliges Ereignis) komplett generalistischen Theorien gegenüber (grob: versuchen Faschismus als eine Ideologie, die bis heute fortbesteht zu erklären).

Da wir als Antifaschist*innen bereits im Namen tragen, dass wir uns gegen Faschismus heute richten, liegt auf der Hand welche dieser Positionen wir dazu teilen. Wir heben hier bewusst drei neuere unterschiedliche Definitionen hervor, die einen generellen Ansatz haben.

„Fascism is a political ideology whose mythic core in its various permutations is a palingenetic form of populist ultra-nationalism.“

“Der Faschismus ist eine politische Ideologie, deren mythischer Kern in seinen verschiedenen Ausprägungen eine palingenetische Form des populistischen Ultranationalismus ist.”

Von Roger Griffin – eine Definition, die Versucht den Kern des Faschismus zu beschreiben

“Faschismus ist eine Form des politischen Verhaltens, das gekennzeichnet ist durch eine obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft und durch kompensatorische Kulte der Einheit, Stärke und Reinheit, wobei eine massenbasierte Partei von entschlossenen, nationalistischen Aktivisten in unbequemer, aber effektiver Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten demokratische Freiheiten aufgibt und mittels einer als erlösend verklärten Gewalt und ohne ethische oder gesetzliche Beschränkungen Ziele der inneren Säuberungen und äußeren Expansion verfolgt.”

Von Robert Paxton – funktionale Definition des Faschismus, fokussiert darauf was er tut:

Ebenfalls sinnvoll scheint es uns Konservatismus und Faschismus voneinander abzugrenzen – das tut Natascha Strobel in ihrem Buch “radikalisierter Konservatismus” folgendermaßen:

„Deutlich jünger als Konservatismus, Liberalismus und Sozialismus sind Faschismus und Nationalsozialismus. Dieser Begriffskomplex bezeichnet politische Strömungen, die sich nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt haben. Zugrunde liegt ihnen eine antidemokratische, antisozialistische, antiliberale, nicht aber antirevolutionäre Ideologie, die sich als Bewegung, Partei und Staat manifestiert. Zentral ist eine kriegerische soldatische Weltsicht. Jeder Lebensbereich wird als Arena eines permanenten Kampfes betrachtet. Geschichte vollzieht sich dabei als dynamischer Prozess, in dem sich eine Gruppe – ein Volk oder eine Nation – gegen feindliche Kräfte zu behaupten hat. Dazu muss sie entsprechend durchorganisiert sein.

Von Konservatismus unterscheiden sich Faschismus und Nationalsozialismus durch ihren dezidiert gesellschaftsverändernden, in gewisser Hinsicht revolutionären Charakter. Im Gegensatz zu Konservatismus wollen sie nicht (bloß) bewahren oder (reaktionär) ein altes Regime wieder errichten, sondern vorwärts in eine Zukunft, die jedoch auf Basis einer (fiktiven) mystifizierten Vergangenheit gedacht wird. Dieser Mythos ist zentraler Bezugspunkt und Selbstverständnis zugleich. Aus ihm speist sich die Vorstellung einer faschistischen Utopie, die es durch einen Umbau der Gesellschaft – entlang völkischer, nationalistischer, kultureller und biologistischer Determinanten – zu verwirklichen gilt. […]

Allen Erscheinungsformen des Faschismus ist zudem eine radikale Geschlechterdichotomie inhärent: Frauen kommt vor allem die Aufgabe zu, für die Reproduktion des Volkes zu sorgen, das nur durch die Geburt von „rassisch“ wünschenswerten Kindern wachsen kann. Die ständige Bedrohung des „Volkes“, der „Nation, der „Rasse“ führt zu einem permanent gedachten Belagerungszustand, dessen man sich durch Krieg und Eroberung zu erwehren habe. Die Ausweitung des „Lebensraums“ für das eigene „Volk“ wird im faschistischen Denken so zu einem Verteidigungs- und Präventivakt. Die soziale Basis des Faschismus ist ein unzufriedenes Kleinbürger- sowie Beamtentum, dass sich in einer Zeit der Krise gleichermaßen gegen den herrschenden Machtblock oben wie gegen eine (revolutionäres) Proletariat unten wendet, aus Angst vor gesellschaftlichem Abstieg, vor Verlust kulturellen Einflusses und traditioneller Werte. Faschismus wird mit der Zeit zur klassenübergreifenden Koalition, die auch Teile des Proletariats sowie entscheidende Fraktionen aus Großbürgertum und Adel einschließt. Sie sammeln sich unter dem Versprechen eines völkisch-nationalistischen Umbaus der Gesellschaft mit der entsprechenden Ausgrenzung als nicht zugehörig definierter Gruppen.

Natascha Strobel

Drei weitere Definitionen von Reinhard Kühnl, Wolfgang Wippermann und Matthew N. Lyons finden sich hier.


Merkmale von Faschismus Heute

Ultra-Nationalismus. Soldatische Männlichkeit. Mythisches Konstrukt eines Volkes, autoritäre Herrschaft, Strikte Hierarchien, Ewiger Kampf, klare Feindgruppen, Kriegerische Gewalt, Volk, Nation, Rasse, Lebensraum, Antisozialistisch, Führerkult, Antikommunistisch, Antidemokratisch, Ablehnung der Aufklärung, innere Säuberung, Gewerkschaftsfeindlich, Opferrolle, Kult der Einheit, Stärke und Reinheit, äußere Expansion, Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus, Bündnis mit Teilen der Eliten, Glorifizierung einer Nation, Obsession mit einer Verschwörung gegen die Nation, ….

Das alles und sicherlich noch einiges mehr werden als Merkmale von Faschismus benannt. Für uns gibt es nicht die eine zutreffende Definition, auch die drei die wir vorher ausgesucht haben können im Laufe der Zeit nicht mehr so zutreffend sein wie sie uns heute vorkommen. Uns erscheint es nicht sinnig, nach einer Perfekten Definitionen zu Faschismus suchen, als Antifaschist*innen sollten wir vielmehr benennen welche Merkmale wir heute vor unseren Augen rechtsaußen sehen können. Um etwas als faschistisch zu bezeichnen erscheint es uns sinnvoll und wichtig, dass nicht nur eines dieser Merkmale auf Personen oder Gruppen zutreffen sollte um sie als dieses zu benennen. Wenn wir den Begriff im Übermaß anwenden, höhlen wir ihn selbst aus.

  • Ablehnung der Aufklärung und universeller Menschenrechte – eine zentrale Säule von fortschrittlichen linken Bewegungen und auf dem Papier auch von vielen heutigen Demokratien ist die Überzeugung, dass alle Menschen gleich viel Wert haben. Die Ablehnung genau dieser Gleichwertigkeit ist bis heute fester Bestandteil von faschistischen Ideologien.
  • Die eigene Nationalität wird überhöht und mit einem mythischen, angeblich von Natur aus gegebenem Volk vermischt – damit wird eine Innere Gruppe definiert, aber nie genau sondern eher gefühlt. Wer jetzt ab wann genau wirklich deutsch ist bleibt offen und bleibt dem eigenen Gefühl überlassen, was oft darauf hinausläuft das Leute auf stereotype Bilder zurückgreifen (Weiß, christlich, Bier trinken, … )
  • Soldatische Männlichkeit und Mutterrolle für Frauen – ebenfalls Teil eines angeblichen mythischen Naturzustandes in faschistischer Ideologie sind zwei klar definierte Geschlechterrollen – der soldatische Mann und die Frau als kümmernde Mutter. Heutiger Faschismus konzentriert sich daher vor allem auf eine Glorifizierung der Kernfamilie bestehend aus Vater, Mutter und Kind – zeitgleich wird jeder andere Lebensentwurf in unterschiedlichen Art und Weisen herabgewürdigt. Immer wieder anzutreffen ist der Versuch queere Menschen als Bedrohung für Kinder bishin zu explizit Pädophil darzustellen. Das ist keine Neuheit, die gleichen Diskurse gab es bereits rund um Homosexualität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hier gibt es auch eine parallele zum historischen Faschismus, das Institut für Sexualwissenschaften von Magnus Hirschfeld mit Forschungen zu Inter- und Transgeschlechtlichkeit wurde von den deutschen Nazis 1933 zerstört nach jahrelanger Brandmarkung als Feind durch die NS-Presse.
  • Feindbilder mit wechselndem Fokus – Neben der gefühlten inneren Gruppe werden mehrere Gruppen als nicht Teil des Volkes und damit auch als Feinde definiert. Der Islam und Geflüchtete, LGBTQIA*, Journalist*innen, Klimaaktivist*innen, oft in Geraune von Verschwörungen versteckt Jüdische Menschen und natürlich Linke im allgemeinen. Im Kern ist das Feindbild geprägt von Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus. Diese drei bilden zusammen die grundsätzlichen Säulen des Feindbildes, können aber in ihrer Form und Ausprägung unterschiedlich sein. “Trends” in Feindbildern treten zum Teil global auf, wie u.a. eine gefühlte Zunahmen an Aktionen gegen Pride Märsche oder queeren Veranstaltungen in den letzten Jahren. Ansonsten hängt es oft vom nationalen Kontext ab welche Gruppe zu welchem grad thematisiert werden.
  • Eine als Verteidigung getarntes Vorgehen gegen Feindbilder – die Nation und das Volk werden in der Rechtsaußen Wahrnehmung andauernd attackiert. Menschen, die vor Krieg fliehen, werden als Invasoren gesehen, Menschen die ihre Sexualität frei ausleben wollen werden als Angriffe auf die traditionelle Familie und gefährden das deutsche Volk, die Lügenpresse, die das Volk belügt um es klein zuhalten… – das Schema ähnelt sich immer wieder: Es findet ein (angeblicher) Angriff statt, wir verteidigen uns nur. Mit dieser Begründung ist eine Rechtfertigung von Gewalt als Selbstverteidigung zum greifen nah.
  • Ideologische Flexibilität – das Ziel rechtfertigt die Strategien – erfolgreiche Rechtsaußen-Organisationen der letzten Jahre haben ein hohes Maß an Flexibilität. So kann eine AfD einzelne lesbische, schwule Mitglieder auch in Führungspersonen haben und an Wählergruppen appellieren, die in ihrem eigenen Verständnis nicht zum deutschen Volk gehören, ohne das es die mehr oder weniger verdeckten FaschistInnen in Ihren Reihen stört. Gleiches gilt in der Propaganda und Aktionen. Es ist kein Problem, zuerst Grenzen zu und scharfe Regeln ganz zu Beginn der Pandemie zu schreien und eine Woche später die Querdenken Spaziergänge anzuführen (so geschehen 2021 in Ulm). Es ist auch kein Problem sich durchgehend als Partei für kleine Leute zu inszenieren und ein Wirtschaftsprogramm zu propagieren, was genau denen, die wenig haben, schaden wird. Alles ist möglich, egal wie widersprüchlich – Hauptsache es erreicht und gewinnt möglichst viele Leute.
  • Zustimmung zu staatlicher Gewalt – Eine positive und unkritische Einstellung zu Militär, Polizei, Staat und aggressiven/autoritären politischer Handlungen
  • Es gibt keine Alternative zum Kapitalismus, er soll nur nationaler werden – Rechtsaußenparteien lehnen vieles, was politisch entschieden wird, gar nicht ab, sondern fordern häufig nur eine Verschärfung. Egal ob Parteien oder Gruppen – sie stellen fast alle nicht in Frage wie Reichtum, Wohnraum und Bildung grundsätzlich verteilt wird – sie wollen nur das Bestehende leicht abändern, um das beste für ihr “Volk” dabei rauszuholen.
  • Heutiger Faschismus tritt grundsätzlich kryptofaschistisch5 auf – kaum jemand der politische Mehrheiten anstrebt wird sich offen und ernsthaft als Faschist bezeichnen im 21. Jahrhundert, da dieser Begriff immer noch mit den katastrophalsten Kriegen und Verbrechen der Menschheit verbunden werden. Im deutschsprachigen Raum ist das beispielhaft an der Identitären Bewegung zu sehen, die offen sich auf faschistische Denker beziehen, eine soldatische Männlichkeit nach außen darstellen und ein als kulturell getarnten biologischen Rassismus verbreiten. Sie erfüllt Merkmale des Faschismus, bezeichnet sich selbst aber verharmlosend immer als “patriotisch” oder “rechts”.

Ergänzungen zu einzelnen Begriffen

  1. christlich fundamentalistisch – eine rechte Strömung innerhalb des Christentums mit Schwerpunkt auf wortwörtliche Auslegungen der Bibel. Damit gehen einher Ablehnung von Homosexualität (und allen anderen queeren Lebensweisen), Ablehnung von Abtreibungen und Ablehnung der Evolution. In u.a. den USA sind Evangelikale eine treibende rechte Kraft – in Deutschland bilden fundamentalistische Christliche wie u.a. Beatrix von Storch einen der Pole innerhalb der AfD.
  2. Faschismus – eine politische Ideologie, in deren Zentrum ein Ultranationalismus steht
  3. Faschisierung – langsamer Prozess, dass etwas schrittweise faschistisch wird
  4. Faschistoid – etwas, was einzelne Elemente von Faschismus beinhaltet
  5. kryptofaschistisch – etwas, das an sich faschistisch ist, sich aber versucht zu verbergen/tarnen
  6. marktradikal – ein Unterteil der neuen Rechten Strömungen, die den Staat und die Demokratie maximal reduzieren wollen um dem Finanzmarkt und Unternehmen freie Hand zu lassen. Wird zum Teil fälschlicherweise als Anarcho-Kapitalismus bezeichnet, obwohl es in der Praxis eine Herrschaft der Unternehmen wäre – etwas das sicherlich nicht als anarchistisch bezeichnet werden kann.
  7. Palingenese / palingenetisch – zusammengesetzt aus dem griechischen “palín” (wieder) und “génesis” (Entstehung, Schöpfung, Geburt)

Mehr zu Faschismus

Hier eine Sammlung an unterschiedlichen Quellen zum Thema Faschismus. Vieles davon fließ in den Text von uns mit ein, wir teilen allerdings nicht jede genannte Quelle zu 100%, sondern haben eher versucht möglichst unterschiedliche Quellen-Arten zusammenzustellen um je nach bevorzugten Medium Menschen ein weiteres vertiefen zu ermöglichen

Artikel

Zur AfD:

Video-Essays

Hinweis: Alles auf Englisch

Podcasts

Hinweis: teilweise auf englisch

  • Übertage Podcast – Folge 120 über Faschismus. Auf unterschiedlichen Plattformen hörbar: linktr.ee/uebertage
  • The Empire Never Ended – Podcast von amerikanischen Antifaschistin mit Bezug zum Balkan. Setzt sich neben Neonazi Gruppen immer wieder auch mit zentralen Einflussreichen Autoren faschistischer Theorie auseinander. U.a. hier anhörbar: https://podtail.com/de/podcast/the-empire-never-ended/
  • Clara Zetkin: Der Kampf gegen den Faschismus, Auszüge einer Rede von 1920 vorgelesen www.rosalux.de/mediathek/media/element/…
  • Jung und Naiv Folgen #442, #481 und #534 mit dem Soziologen Andreas Kemper über AfD und Faschismus: https://www.jungundnaiv.de/
  • 12 Rules for What – antifaschistischer Podcast aus England der sowohl Antifaschismus als auch Faschismus behandelt: soundcloud.com/12rulesforwhat

Musik:

In dem Lied Aufbruchsstimmung von Pöbel MC & Mili Dance wird der Beginn von faschistischem Denken aufgegriffen. Es kann so verstanden werden, dass menschenverachtende Handlungen und auch ein Faschismus nicht durch eine kleine Gruppe von Bösewichten funktioniert und nicht erst bei gewaltvoller Machtergreifung und Massenmord beginnt. Es beginnt viel früher, schleicht sich ein und wird ermöglicht durch eine Masse an Menschen, die widerspruchslos zustimmen und mitmachen. www.youtube.com/watch?v=KJnfQLQVcV4

Durch die Coverversion des Liedes “Why we build the Wall” von Philosophy Tube kann gut nachvollzogen werden, wie in sich geschlossene Weltbilder funktionieren. Es ist ein ewiger Zirkelschluss der Abschottung und der Ausgrenzung anderer. www.youtube.com/watch?v=37y34f5xOxE

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