Statement zur “Nie Wieder ist jetzt” Kundgebung am 02.02.2025 in Ulm
Am Sonntag ist eine “Nie Wieder ist jetzt” Kundgebung für 12:30 auf dem Münsterplatz Ulm angekündigt. Da wir mehrfach darauf angesprochen und gefragt wurden, wollen wir dazu ein paar Worte verlieren.Unser Ansatz ist es oft einen Spagat aus klaren Inhalten und breiten Zusammenarbeiten zu versuchen.Wir sind davon überzeugt, dass es in Zeiten des immer weiter nach Rechtsrückens mehr Zusammenarbeit über einzelne Konfliktlinien hinweg braucht. Dieser Spagat ist nicht immer einfach. Für uns ist allerdings bei der angemeldeten Kundgebung besonderes im Kontext der Ereignisse dieser Woche ein Limit erreicht.
Hinter der Organisation der Kundgebung stehen einzelne Personen und Ulmer Gruppen, unterstützt werden diese u.a. von dem Ring politischer Jugend – bestehend aus Junge Union, Jungen Liberalen, Jusos und Grüne Jugend. Dieser hat bereits vor einem Jahr eine Demonstration nach den Correctiv Recherchen veranstaltet. Auf der Kundgebung sind vor allem Reden von Parteien angedacht. Die Intention ist, möglichst viele Leute aus der sogenannten “Mitte” zu erreichen. Das ist natürlich ein löblicher Ansatz, aber birgt die Gefahr, dass jegliche Inhalte geopfert werden. Das sehen wir hier auch: Es gibt quasi keinen Aufrufstext. Es wird nur mit Worthülsen, die völlig offen sind, geschmissen – Demokratie, demokratische Grundwerte, Antidemokratisch. Die AfD wird weder genannt noch eingeordnet, als das was sie ist: eine extrem rechte Partei mit einem faschistischen Teil.
Die CDU hat diese Woche im Bundestag versucht das Recht auf Asyl weiter einzuschränken. Am Mittwoch legte die Partei mit Kanzlerkandidat Merz einen Apell an die Regierung den sog. “5- Punkte- Plan” vor. Die 5 Punkte beinhalten u.a. die vollständige Schließung der deutschen Grenzen und ein faktisches Einreiseverbot für Menschen ohne gültige Dokumente – was für eine Farce. Nennen wir es, wie es ist: Damit wird das Recht auf Asyl, was seit dem zweiten Weltkrieg aus guten Gründen im Grundrecht verankert ist, massiv eingeschränkt und quasi nichtig gemacht. Auch wurde dieser “Appell” an die Bundesregierung das erste Mal seit dem zweiten Weltkrieg mit einer Mehrheit bestehend aus CDU, FDP und AfD – also mit einer extrem rechten und mindestens in Teilen faschistischen Partei – beschlossen. Dies löste deutschlandweit massive Proteste aus, Zehntausende gehen gerade gegen diesen Schulterschluss auf die Straße.
Mittlerweile scheinen Teile der FDP und CDU zurückzurudern. Der eigentliche Plan war es heute mit einem Gesetzesentwurf, der unter anderem das Recht auf Familiennachzug abschaffen würde, nachzuziehen. Der Gesetzesentwurf wurde heute knapp abgelehnt.
Die CDU tat all dies mit wissendem und sehendem Auge. Es ist kein Versehen, dass auf einmal Zusammenarbeit mit der AfD auch auf Bundesebene möglich ist. Merz erdreistete sich vorher zu behaupten, dass alle die nicht mit ihnen für die Einschränkung des Asylrechtes stimmen Schuld sind daran, dass die Mehrheit dann halt mit der AfD ist. Schuldumkehr im Bundestag – zwei Tage nach dem Gedenken zu 80 Jahren Befreiung von Auschwitz.
Auch die Ulmer und Neu- Ulmer Bundestagsabgeordneten nahmen an der Abstimmung Teil. Die beiden CDU/ CSU Abgeordneten, Ronja Kemmer und Alexander Engelhard, stimmten mit JA. Sie sind Teil des Problems und es ist völlig absurd, dass ihnen und ihrer Partei auf Veranstaltungen gegen den Rechtsruck eine Bühne gegeben wird. Seit heute ist auch bekannt, dass der ursprünglich geplanter Redebeitrag von Ronja Kemmer (CDU) auf der Kundgebung am Sonntag abgesagt hat. Stattdessen soll nun eine Person der Jungen Union reden. Interessant finden wir, dass Ronja Kemmer morgen am 01.02. im Café Montreux (CDU-nahes Café) auftritt. Da stellt sich uns doch die Frage, ob sie wirklich zufällig keine Zeit hat um auf der vermutlich größten zivilgesellschaftlichen Bühne Ulms im gesamten Wahlkampf aufzutreten? Oder ob dies nicht eigentlich eine strategische Entscheidung ist, um Kritik zu entgehen. Wir sagen ganz klar: Ronja Kemmer und die CDU sind Teil des Rechtsruckes in Deutschland!
Der Rechtsruck findet aber nicht nur wegen der CDU statt. ALLE größeren Parteien lassen sich von der AfD nach Rechts treiben. Von den Grünen, SPD über FDP bis zur CDU – sie alle sind fundamentaler Teil des Rechtsruckes, indem sie rechte Themen bespielen und der AfD in die Karten spielen. Die “Brandmauer” gegen die AfD ist diese Woche nicht gefallen, sie war vorher schon löchrig. Gerade auf kommunaler Ebene arbeiten Parteien schon länger mit der AfD zusammen und bilden gemeinsam Mehrheiten. Auch hier beschränken sich die Beispiele nicht nur auf die CDU. Eine Spiegelrecherche im Jahr 2020 zählte Zusammenarbeiten von AfD mit der FDP, der Freien Wähler, der SPD, der Linken und der Grünen. Die CDU sowieso. Der Rechtsruck kann nicht im Bundestag gestoppt werden, sondern nur durch uns alle – auf der Straße und im Alltag.
“Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen.”
Esther Bejarano
Die Märchen, davon, dass AfD wählen nur Protest sei; die AfD nur ein Problem des Osten ist; die AfD durch bessere Bildung besiegbar sei und nur diese eine entscheidende Wahl noch überstanden werden muss – wir können sie nicht mehr hören.
Vieles was die AfD fordert hat nur eine andere Tonart und Härte, bewegt sich im gleichen politischen Feld wie politische Forderungen und Realitäten anderer Parteien: Neoliberale, rechte Finanzpolitik, die zunehmend gesellschaftlich autoritärer wird. Im Political Compass wird dies deutlich – in Deutschland besteht die Wahl quasi zwischen rechten Parteien.
Wir machen uns nichts vor, der Rechtsruck ist im vollen Gange. Jedes Jahr auf eine inhaltsleere Kundgebung zu gehen und still auf ein AfD- Verbot zu hoffen ändert nichts. Wer sich selbst nicht als antifaschistisch und die AfD nicht als Problem benennen kann, ist vor allem eins: Teil des Problems.
Unsere Antwort ist klar: wir brauchen Antifaschismus von unten: mit vielen und im Alltag. Wir decken auf, wo sich Rechte organisieren, nehmen ihnen ihre Räume und stören sie so gut es geht. Ja, das ist keine Lösung für ein weltweites Problem, aber wir sind uns sicher: Je mehr Leute aktiv zum Antifaschismus beitragen, desto mehr spürbare Auswirkungen wird das haben.
Die AfD wird am 23.02. so viele Stimmen holen wie noch nie zuvor. Das ist seit Monaten absehbar. Wir müssen aufhören in Wochen oder Monate zu denken – wir brauchen langfristige StrategienDeswegen sagen wir: Antifaschismus ist nicht wählbar, nur machbar!
Wir schließen uns dem Aufruf von Widersetzen Ulm an und werden die Kundgebung verlassen, wenn die CDU die Bühne betritt. Wir werden trotz alledem zur Kundgebung gehen, um eine klare antifaschistische Position zu vertreten – und alle sind eingeladen sich uns anzuschließen.