Franz Schmid und der Wahlkampf der AfD in Bayern

Die bayrische Landtagswahl steht kurz bevor. Wir haben uns den Wahlkampf der AfD in Neu-Ulm etwas genauer angeschaut .

Jung, Netzwerker, Berufspolitiker …

Der AfD Kandidat für die bayrische Landtagswahl Franz Schmid (mittig im Bild auf einer Wahlkampfveranstaltung in Memmingen am 23.09.23) tritt als junger 23-jähriger aktiver Macher auf. In der AfD Bayern und Jungen Alternative (JA) hat er aktuell zugleich mehrere Posten. In seiner Selbstdarstellung ist Schmid ständig unterwegs: auf Veranstaltungen, Demos und Treffen der AfD. Widersprüchlicherweise entspricht Schmid hierbei genau dem Typus eines Politikers, wie ihn die AfD immer an anderen Parteien kritisiert: Kaum gearbeitet im Leben und schnell Berufspolitiker geworden.

Bis zum Wahlkampf waren öffentlich kaum Äußerungen von Schmid zu seinen politischen Überzeugungen zu finden. Das einzig bisher bekannte war sein Engagement gegen Antifaschist*innen. Er rühmt sich mit Anfragen und ein paar Schildern die langjährig in Ulm aktive Autonome Gruppe Kollektiv.26 besiegt zu haben. Wir wissen aus guten Quellen, dass darüber herzhaft gelacht wurde.

Auch einige andere lokale Gruppen kann Schmid gar nicht leiden. Bei einer Aktion der Jungen Alternative gegen den Falkenkeller in Ulm äußerte Schmid, dass er mehrere weitere subkulturelle Räume in Ulm schließen will:

“Wir haben den Falkenkeller symbolisch geschlossen, , da dieser immer wieder Treffpunkt linksextremer Personen ist. … Ich möchte, dass der historische Obere Donauturm, in dem sich der Falkenkeller befindet, endlich einer sinnvollen Nutzung zugeführt wird! Natürlich gilt gleiches auch für das “Beteigeuze” den “Club Action” und das “Hexenhaus” welche immer wieder durch linke Veranstaltungen auffallen und dem historischen Wert ihrer Räumlichkeiten nicht gerecht werden.”

auf dem Instagram Kanal der JA Schwaben, Frühjahr 2022

… und extrem rechts

Seit dem Beginn des Wahlkampfs äußert sich Schmid vermehrt öffentlich. Von sich selbst sagt er in einem Interview mit der Südwestpresse, dass er nicht extrem rechts sei. Im gleichen Interview äußert Schmid auch folgendes:

„Ich kann eigentlich alles unterschreiben, was Björn Höcke sagt.“

aus einem SWP Interview Anfang September 2023

Es bleibt nicht nur bei solidarisierenden Worten mit Faschisten. Schmid geht seit 2021 Hand in Hand mit Kadern der Identitären Bewegung Schwaben. Ob Querdenken-Spaziergänge in Ulm, Störungsaktionen gegen linke Kundgebungen oder ein gemeinsamer Besuch bei dem Institut für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda. Das IfS ist eine Ideenschmiede, in der die Identitäre Bewegung und der nationalistischste-völkischste Teil der AfD verschmelzen. Schmid solidarisiert sich wiederholt offen mit der Identitären Bewegung und spricht sich offen gegen den scheinheilligen Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD mit der IB aus. Er wird von Personen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung als “Ihr Mann” bezeichnet. Hier wird an der nächsten Diskursverschiebung nach Rechts gearbeitet. Die IB wird als das aktivistische Vorfeld der Partei und stellungsgleich mit der Parteijugendorganisation angesehen.

Schmid ist offensichtlich per du mit Kadern der IB Schwaben und arbeitet mit ihnen zweifellos eng zusammen. Vor wenigen Tagen erst wurden Videoaufnahmen veröffentlicht, die zeigen wie Schmid sogar an einem Treffen der IB in den ehemaligen Räumlichkeiten in der Ulmer Karlstraße zeigen.

Doch nicht nur diese Nähe zu einer faschistischen Jugendbewegung, die sich offen auf Vordenker des Faschismus wie Julius Evola, Ernst Jünger oder Carl Schmidt bezieht, machen aus Schmid einen extrem rechten Politiker. Dafür reicht auch ein Blick auf seinen Wahlkampf.

Gleich in seinem ersten Redeslot auf einer Podiumsdiskusion der Südwestpresse nutzt er das Thema Ärtze*innenmangel auf dem Land, um mit Stammtischparolen gegen Geflüchtete zu hetzten:

“Wir müssen schauen, dass die Überlastung unserer Landarztpraxen aufhört. Ein großes Thema da ist, dass die Leute, die nichts in unserem Land zu suchen haben, dass diese konsequent abgeschoben werden.”

Franz Schmid während der SWP Podiumsdiskussion am 20.09.23

Fakt ist, dass Geflüchtete in den ersten 18 Monaten in Deutschland einen auf Notfälle reduzierten Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Für Menschen ohne Aufenthaltsstatus ist die Lage noch dramatischer: sie müssen sich davor fürchten, abgeschoben zu werden, wenn sie das Gesundheitssystem in Anspruch nehmen. Es gibt deswegen seit fast 30 Jahren ein bundesweites Netzwerk an Medibüros, MediNetze oder Medizinischen Flüchtlingshilfen. So zu tun als seien Geflüchtete Grund aller Probleme im Gesundheitswesen, missachtet zum einen das Recht aller Menschen auf eine adequate Gesundheitsversorgung und zum anderen, dass Personalmangel im medizinschen Bereich schon seit Jahrzehnten ein Problem ist und sich v.a. durch die Covid-19-Pandemie und die inzwischen in Rente gehenden geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre potentiert hat.

Auch beim Thema Inklusion ist der gelernte Kinderpfleger ganz auf Linie seiner Partei. So spricht er davon, dass die individuelle Förderung und Pflege der Kinder [mit geistiger/körperlicher/mehrfacher Behinderung] in Regelschulen nicht zumutbar wäre. Die AfD will Kinder mit höheren Förderbedarf in eigene Schulen stecken – unter dem Deckmantel der angeblich dort möglichen besseren Betreuung soll eingestuft und ausgesondert werden.

Nach jedem Redebeitrag Schmids während dieser Podiumsdiskusion wurde laut aus der rechten Ecke gejubelt und geklatscht. Einige Personen aus dem Umfeld der AfD, JA und IB waren gekommen um “ihren Mann” für die Landtagswahl in Bayern zu unterstützen. Darunter Nicolas Brickenstein, IB Schwaben Kader, und Nick S., der in der Vergangenheit ebenfalls in der IB aktiv war z.B. als Ordner auf der deutschlandweiten Europ-Nostra Kundgebungen der IB 2018 in Dresden.

AfD Strategie & Wahlkampf-Parolen in Bayern

Kurz einen Schritt zurück auf die gesamte Partei: Strategisch greifen Teile der AfD aktuell nun bewusst die CSU/CDU an. Deutlich wurde das vor kurzem z.B. in einem Interview der Sendung Panorama von Sebastian Friedrich mit Maximilian Krah, dem AfD Kandidaten für die EU-Wahl 2024:

Krah: “Der europäische Vergleich zeigt, dass die politische Rechte nur zum Erfolg kommt wenn die Christdemokraten verschwinden. Von daher setze ich nicht auf die CDU, ich setze auf die Implosion der CDU.

Friedrich: “Also die Zerstörung der CDU ist ihr Ziel?”

Krah: ” Genau letzlich in zwei Teile. Einen, der rechtsoffen ist und einen, der letzten Endes eine Grüne 2.0 ist. Insofern bleibt die CDU der strategische Hauptgegener”

Wortwechsel aus dem Panorama Interview vom 24.08.23

Wie Franz Schmid ist auch Maximilian Krah Fan von Höcke und hat eine Beziehung zum Institut für Staatspolitik (IfS) von Götz Kubitschek und Ellen Kositza. Dementsprechend greift Schmid im aktuellen Wahlkampf wiederholt diese Strategie auf. Die CSU wird kritisiert, weil sie nicht hart genug gegen Einwanderung vorgehen und nicht mehr abschieben würde. Hier zeichnet sich ab, was grundsätzliche in vielen Punkten bei der AfD findet: Die zentralen Forderungen sind keine tatsächliche Alternativen zu der aktuellen herrschenden Politik. Es sind immer nur Forderungen nach noch mehr dieser rechten Politik. Noch mehr Abschiebungen, noch mehr Abbau des Sozialstaats, noch mehr Steuern (für Reiche) senken, noch mehr produzieren & konsumieren, noch mehr Polizei, Law&Order und Überwachung.

Die AfD ist inhaltlich tatsächlich keine Alternative – Sie will rechte Politik auf Steroiden und tut so als wäre das eine Lösung für die Krisen unserer Zeit. Es werden keine Vorschläge für eine andere Welt oder ein anderes Wirtschaftssystem, was den Kern vieler unserer aktuellen Probleme ausmacht, geliefert. Die Lösungen sollen mehr Isolation und Ausgrenzung Anderer sein, damit mehr für ein imaginäres “uns” da ist. Schmid greift reale Probleme auf und vermischt sie mit den üblichen rechten Feindbildern, die dann daran Schuld sein sollen:

  • Beispiel 1 – Wohnungsnot: Ja, die gibt es zweifellos, vor allem in Städten – Die Lösung von Schmid: 100% Abschiebequote. Aber was bringen uns in Bayern leere Erstaufnahmestellen? Abgesehen davon, dass nur wenige Menschen, die in Deutschland leben, freiwillig in eine Massenunterkunft ziehen würden, sind die meisten Gebäude für Landeserstaufnahmestellen und andere sogenannte “Unterkünfte” keine klassischen Wohngebäude. Sondern ehemalige Kasernen, Containerdörfer, Turnhallen, …
  • Beispiel 2 – Pflege & soziale Berufe sind unterbezahlt und schlecht anerkannt – Schmids Lösung: Es gibt zu viele Gender Studies, diese halt abschaffen. Das ist lokal besonders irrwitzig, da es keinen einzigen Studiengang dieser Art in der gesamten Umgebung gibt. So zu tun als wäre die Diversifizierung von Studiengängen zentral dafür Verantwortlich, dass seit Jahrzehnten Pflege, Erziehung und andere soziale Berufe gesellschaftlich und politisch nicht gefördert werden, ist völlig am Thema vorbei und schlichtweg Bullshit.

Mögliche Folgen der Wahl regional

Die AfD müsste laut SWP auf 15% kommen, damit Schmid eine Chance auf ein Landtagsmandat hat, aktuell liegt die AfD bei Umfragen zwischen 12-14%. Falls er das Mandat gewinnt wird, können wir uns regional auf einen neuen extrem rechten Raum in Form eines AfD Landtagsbüros einstellen. Ebenso hätte Schmid dann eine finanzielle Spritze von 8.886€ (Abgeordnetendiät) und 3.726€ (Kostenpauschale).

Eine Regierungsbeteilligung ist nahezu ausgeschlossen, es gibt schlicht keine Notwendigkeit für die CSU mit der AfD zu koalieren, da es voraussichtlich mehrere andere Koalitionsmöglichkeiten geben wird.

Ein Blick über den Tellerand hinaus

Das Ziel der Südwest AfD ist aktuell allerdings auch keine Regierungsbeteiligung. Bei Podiumsdiskussionen wird offen gesagt, dass im Osten der Kampf gewonnen wird und hier im Südwesten nur weiter standgehalten werden muss. Der Ausblick ist ganz klar ausgerichtet auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg 2024.

Dort drohen Ergebnisse, die größere und damit chaotischere Koalitionen herbeiführen werden. Oder die CDU entschließt sich für eine Koalition mit der AfD. Eine Landesregierung mit der AfD ist nach 10 Jahren bestehen der Partei ist nicht mehr nur mathematisch vorstellbar. Der Rechtsruck geht vor unseren Augen Schritt für Schritt weiter.

Wir als Antifaschist * innen sollten uns bundesweit überlegen, wie wir Gruppen vor Ort konkret unterstützen können.