Vor 2 Jahren – Mord an Ece S.

Hinweis: Im folgenden Text geht es um Mord, Rassismus und Suizid.

Am Morgen des 05.12.2022 wurden Ece und eine Freundin in Illerkirchberg aus dem Nichts angegriffen. Michael Okba B. griff beide mit einem Messer an, tötete Ece und verletzte die zweite Person schwer. Das Motiv für diesen Mord ist bis heute kaum greifbar.  In der Gerichtsverhandlung wurde folgende These aufgestellt: Weil ihm ein Pass verweigert wurde, wollte B. das Landratsamt angreifen. Als er das Haus mit dem Messer verließ,  dachte B., die zwei Mädchen hätten ihn mit dem Messer gesehen und griff an.

Die Unterkunft, in der B. zum Zeitpunkt der Tat wohnte, war keine Massenunterkunft, sondern ein Haus mit mehreren Parteien. Sie wurde unmittelbar nach der Tat geräumt. Alle darin Wohnenden, auch eine Familie, mussten weg. Wenige Tage nachdem Mord starb eine weitere Person. Ein Mitbewohner von B., der kurzzeitig zu den Verdächtigten gehörte, nahm sich das Leben. Die Unterkunft selbst wurde auf Wunsch von Eces Familie Anfang 2023 abgerissen.

Wir möchten hiermit an Ece erinnern und gedenken.

Extrem Rechte Vereinnahmungsversuche
Die Tat wurde schnell bundesweit bekannt – die Stichworte Messerangriff, Geflüchteter und zwei Mädchen sorgten für eine enorme mediale Welle. Von Anfang an wurde die Tat von rechten Kräften politisch instrumentalisiert. Eces Familie hielt dagegen und veröffentlichte Statements – hier ein Auszug:

“Wir sind Deutsche mit türkischen Wurzeln. Wo ist der Unterschied? Die Suche ist vergeblich – es gibt keinen. Wir sind alles Menschen mit Liebe im Herzen, was uns letztendlich alle verbindet. Wir sind nur kurz zu Besuch in unserer wunderbaren Welt, in der wir mit Liebe und gegenseitigem Verständnis zusammenleben sollten. Kein Groll und keine Wut sind es wert, unseren gemeinsamen Frieden zu opfern. Bitte lassen Sie uns zusammenstehen! Wir möchten alle bitten, unsere Situation für politische Atmosphären nicht zu missbrauchen. Der Tatort soll Trauerstelle und ein Ort für Begegnungen sein. Kundgebungen und politische Parolen bitten wir an dieser Stelle zu unterlassen. Uns ist es ungemein wichtig, dass alle Menschen, egal welcher Hautfarbe, welcher Religion und mit welcher Ethnie auch immer, nicht pauschal verurteilt werden. Einen Generalverdacht gegenüber bestimmten Volksgruppen und Gemeinschaften dürfen wir nicht zulassen. Dies sollte unsere allergrößte Pflicht als Gesellschaft sein. Darum möchten wir Sie alle inständig zum Wohle von uns allen bitten.”

Die Eltern von Ece im Dezember 2022

Den wiederholt sehr klar geäußerten Wunsch, die Tat nicht zu politisieren und zu vereinnahmen, missachteten die extrem rechten Akteure immer wieder. Doch nicht nur im Netz wurde gehetzt: Die Identitäre Bewegung Ulm, mit dem heutigen Ulmer Gemeinderatsmitglied der AfD Nicolas Brickenstein am Megafon, führte sogar am Tag der Beerdigung von Ece eine Aktion am Rathaus Illerkirchberg durch. Die AfD BaWü hielt mit vielen Landtagsmitgliedern eine Kundgebung im Ort ab. Wenig später folgte eine Kundgebung des neonazistischen Kleinstpartei “Dritter Weg”.

Dass all diese extrem rechten Kräfte auf einmal in Illerkirchberg aktiv wurden ist kein Zufall, sondern etablierte Taktik. Die furchtbarsten Verbrechen werden vereinnahmt um rassistische Hetze und Stimmung zu machen. Es geht dabei nie um die Details, nie die Motivation, die Hinterbliebenden oder gar die Opfer. Es geht nie um die Tat.  Es geht nur darum, welche Herkunft der Täter hat. Auf den Rücken der Betroffenen wird dann rassistisch gegen alle Geflüchteten Stimmung gemacht. Sie tun so, als ob sich Gewalt gegen Frauen abschieben lässt.

Ob Kandel, Illerkirchberg, Mannnheim oder zuletzt in Hochdorf – der Sumpf aus AfD, Junge Alternative und Identitärer Bewegung bis zu offen neonazistischen Gruppen stehen in Baden-Württemberg seit Jahren bereit, um die “richtige Gelegenheit” für sich auszunutzen. Wir gehen davon aus, dass dies  fester Teil ihrer aktuellen Strategie ist.

Lasst uns dieses Vorgehen nicht ignorieren, sondern uns gemeinsam solidarisch gegen die Vereinahmung solcher Taten durch extrem rechte Kräfte stellen.Wir erinnern an die Opfer und unsere Gedanken sind mit ihren Familien, Freund*innen und Hinterbliebenen.