80 Jahre Befreiung Ulms

Heute vor 80 Jahren wurde Ulm von der Diktatur und dem Grauen des Nationalsozialismus befreit. Die Stadt wurde trotz großer Ankündigungen nicht verteidigt. Die letzten Toten und Zerstörungen verursacht tatsächlich die deutsche Wehrmacht selbst. Am 24.04.1945 sprengen Sie fast alle Brücken und am Tag darauf wird Ulm ein letztes mal beschossen: durch die Artillerie der Wehrmacht von Bayern aus, es gibt Tote und Verletzte.

Bis zum Ende übte das Regime grausame Gewalt aus – in der Region Schwaben fanden im März und April 1945 mehrere sogenannte Todesmärsche statt, bei denen die SS die letzten Überlebende der Konzentrationslager vor den vorrückenden Alliierten Kräften Zwangsevakuierte. Oft zu Fuß, kaum bekleidet und geschwächt nach jahrelanger menschenverachtender KZ-Gefangenschaft. Bei Ehingen gelang es zehn russischen und polnischen KZ Überlebenden trotz alle dem zu fliehen. Sie wurden kurz darauf gefasst und zu einer abgelegenen Stelle in der Wolfsgurgel zwischen Ehingen und Altsteußlingen geführt. Dort mussten Sie ihr eigenes Grab schaufeln, drei gelang nochmal die Flucht, sieben wurden erschossen.

Auch in Ulm wurde bis zum Ende gemordet. So wurde am 19.04.1945 der franzsösische Zwangsarbeiter François Joseph Weiss hingerichtet. Sein Verbrechen: Er “stahl” Filzstiefel aus einem Güterwagon. Dabei wurde er von zwei deutschen Jugendlichen beobachtet, die ihn anzeigten. Weiss wurde daraufhin erhängt und sein Leichnahm am Charlottenplatz tagelang öffentlich am Galgen zur Schau gestellt. Vor kurzem ist an diesem Ort, heute vor dem Humbold/Kepler-Gymnasium, ein Denkmal eingeweiht worden.

Wir sprechen heute bewusst von Befreiung, als Antifaschist*innen steht dieser Tag symbolisch für das Ende dieser grausamen faschistischen NS-Diktatur. Tatsächlich war Ulm eine NS-Hochburg und für einen großen Teil der deutschen Bevölkerung war dieser Tag keine Befreiung. 12 Jahre lang hatten viele das Regime unterstützt und von ihm profitiert.

Dennoch war für viele Menschen dieser Tag auch in Ulm eine Befreiung. Den in der ganzen Stadt waren tausende Zwangsarbeiter*innen, die aus anderen Ländern für die Kriegsproduktion hierher verschleppt worden waren. So auch die 17 jährige Gabriela Knapska aus Polen, die in der Wilhelmsburg für Telefunken arbeiten musste. Sie schrieb folgendes am 24.04. in ihr Tagebuch:

“Endlich. Endlich ist es soweit. Wir sind frei! Die Befreier, auf die wir solange gewartet hatten, sind endlich da.”

Gabriela Knapska, Zwangsarbeiterin in Ulm
Tagebuch Eintrag 25.04.1945

Von Befreiung zu sprechen, das ist auch heute nicht selbstverständlich – das Stadtarchiv Ulm spricht bis heute von einer “Besetzung Ulms”. Hier wird sprachlich deutlich, was im Kern für die meisten Ulmer und Ulmerinnen und auch für viele Deutsche 1945 der Fall war – der Krieg ist verloren, andere Armeen besetzen “uns”.

Vergessen, verdrängen, nach vorne Schauen – diese Haltung prägte jahrzehntelang die deutsche Nachkriegsgesellschaft.

Das Gedenken an den Nationalsozialismus, auf den der deutsche Staat heute angeblich so stolz ist, das wurde erkämpft. Oft von den Überlebenden der NS-Verbrechen und mit jahrzehntelangem Atem.

In Ulm gab es ein frühes Konzentrationslager auf dem oberen Kuhberg, dort wurden vor allem politische Gegner des NS in den frühen 1930er Jahren inhaftiert, Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftler.

Dieser Ort sollte jeden Widerstand brechen und steht am Anfang der Entwicklung der KZs, die schließlich in Holocaust & Shoha mündeten. Kurz nachdem Krieg gründete sich 1948 eine ehmalige Lagergemeinschaft der Überlebenden Gefangenen des Kuhbergs – die heutige Gedenkstätte, die vielleicht einige von euch kennen, die eröffnete erst 1985. Sie wurde 37 Jahrelang erkämpft, den viele in Ulm wollten nicht als “KZ-Stadt” bekannt sein.

Wir glauben als Antifaschist*innen heute ist es wichtig regionale NS-Geschichte kennenzulernen und das Gedenken am Leben zu halten. Wir leben in einem Land, das so tut als hätte es alles aufgeklärt und alle wüssten Bescheid – doch ob schulische Besuche von KZs, symbolische Kranzniederlegungen an Jahrestagen und Geschichtsunterreicht alleine reichen, das bezweifeln wir. Gerade weil viele Zeitzeugen nicht mehr unter uns sind.

Lasst uns mehr auf die Geschichte schauen, sie nicht Vergessen und das Erinnern und Gedenken mit Leben füllen.

Für das Leben und gegen den Tod.
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.

Quellen & Inspiration

Wie so oft basiert dieser Text auf der Arbeit vieler anderer Stellen und Menschen. Falls sich Leute mehr mit den Themen beschäftigen möchten hier einige Empfehlungen von uns: