Wer tritt eigentlich am Montag im Roxy auf? Die AfD!
Was für viele Menschen in Ulm absurd klingt, wird nächsten Montag im Roxy Realität: In Zusammenarbeit mit der Ulmer Volkshochschule, der IHK und weiteren Organisationen findet am Montag ein Podium mit allen Ulmer Bundestagskandidat*innen im Roxy Ulm statt. Mit dabei: Daniel Rottmann, Gemeinderat und Bundestagskandidat für die AfD in Ulm.
Der ehemalige BaWü-Landtagsabgeordnete fällt seit Jahren immer wieder durch Klimawandel-leugnung, Queerfeindlichkeit und der Verbreitung von Verschwörungsmythen auf. Auch in der Migrationspolitik vertritt er typische AfD-Thesen und stimmte so zum Beispiel für das Burkaverbot im Stuttgarter Landtag.
Sowohl das Roxy als auch die Volkshochschule treten regelmäßig öffentlichkeitswirksam als weltoffen und AfD-kritisch auf – so sind beispielsweise beide Organisationen Teil des Bündnis für Demokratie und Vielfalt Ulm.
Diese öffentliche Positionierung lässt sich aus unserer Sicht nicht damit vereinbaren, dass hier der extrem rechten AfD und ihrer Menschenfeindlichkeit eine Bühne verschafft wird. Die AfD ist eine völkisch-nationalistische Partei mit gefestigtem faschistischem Teil und steht als solche auch gegen freie, kritische Kultur und Bildung und damit gegen das Roxy und die Volkshochschule. Daniel Rottmann vertritt das Weltbild der AfD vollumfänglich.
Wir gehen, wie viele andere in Ulm, auch gerne ins Roxy und die VH!
Im Roxy finden seit Jahren größere Konzerte von linken Musiker*innen statt, dieses Jahr sind u.a. Pöbel MC und Disarstar angekündigt. Die VH hat einen starken Bezug zu den Geschwistern Scholl.
Warum ausgerechnet diese beiden in Ulm seit Jahrzehnten als liberale Orte etablierten Organisationen solch eine Veranstaltung machen, begründen sie öffentlich damit, dass die Veranstaltung von einem breiten Bündnis regionaler Organisationen durchgeführt wird. Das Roxy hat am 14.02. ein Statement zu der Veranstaltung in eigener Sache veröffentlicht.
In einer Stadt wie in Ulm in der solche Sachen gerne verschwiegen werden und nicht öffentlich Position bezogen wird, finden wir es richtig und wichtig sich dazu öffentlich zu verhalten und auch die berechtigte Kritik auszuhalten. Wir wollen dem Roxy und der VH mit diesem Statement auch keine (inhaltliche) Nähe zur AfD unterstellen. Wir teilen allerdings die Einschätzung zu der Podiumsdiskussion und ihrer Wirkung nicht und wollen hier einige Kritikpunkte dieser Strategie erörtern.
- Legitimation & Normalisierung der AfD
Die AfD in ein Podium einzuladen ist eine Form der Legitimation: sie wird damit als ein ernstzunehmender und ebenbürtiger Gesprächspartner dargestellt. Das führt auch zu einer weiteren Normalisierung der Partei und ihrer extrem rechten Politik. Diese Normalisierung wird von der AfD selbst aktiv seit Jahren immer weiter vorangetrieben. Ein Beispiel, wohin die Normalisierung von AfD- Positionen führen kann, sehen wir gerade an dem Begriff der “Remigration”.
Während der Begriff Anfang letzten Jahres noch deutschlandweit Massenproteste auslöste, steht er mittlerweile im Wahlprogramm der AfD und wird unverdrossen z.B. von Kanzerkanditatin Alice Weidel benutzt. Die AfD und Rottmann sitzen andauernd in der Ulm und Umgebung auf Bühnen – im Café Jam, in Gymnasien und bei der Südwestpresse sowieso. Hier wird der AfD eine Bühne gegeben, die es nicht hätte geben müssen. Im Gleis44 fanden beispielsweise mehrere Podiumsdiskussionen ohne die AfD statt.
Die Normalisierung und Legitimation, die wir hier kritisieren, ist zentraler Teil des gesellschaftlichen Rechtsrucks und auch hier gilt es, konsequent dagegen zu stehen.
- Falsche Grundannahme – der faktische und demokratische Diskurs
Die Organisationen hinter der Veranstaltung haben ja ein ehrbares Ziel: mit einer faktischen Diskussion rechte Argumente aufzeigen und dekonstruieren, um damit schlussendlich die AfD zu “entzaubern” und AfD- Wähler*innen zu bekehren.
Die Grundannahme, dass ein rationaler, faktischer Diskurs so wirkt, teilen wir nicht. Wir sehen doch alle seit Jahren, wie genau dieser Ansatz scheitert. Alle großen Parteien springen auf die Themen der AfD auf. Erinnert ihr euch auch noch daran, als z.B. das BSW als Spaltungskraft der AfD-Wählerschaft beworben wurde?
Das ändert bisher nichts daran, dass die AfD einen Wahlerfolg nachdem anderen einfahren kann. Dieser Ansatz, die AfD im Diskurs zu stellen – wir sehen nicht, dass er wirkt, sondern ganz im Gegenteil: Er gibt ihnen immer weitere Bühnen, auf denen nicht nur die AfD den Diskurs weiter nach rechts verschiebt.
Hier mal exemplarisch einige der Äußerungen, die wir von Daniel Rottmann erwarten dürfen:
“Klimaveränderungen gab es schon immer, ich glaube, dass der mensch-liche Anteil daran sehr gering ist”
– Daniel Rottmann im Interview mit der schwäbischen Zeitung
“Wenn Sie eine Sache in Deutschland verbieten dürften: Was wäre das?”
– Frage & Antowrt Rottmans aus einem SWP Interview:
Daniel Rottmann: “Das sogenannte Selbstbestimmungs-gesetz, das Menschen strafrechtlich dazu zwingt, biologische Fakten zu leugnen.”
Ob da ein kritischer Diskurs überhaupt möglich ist, bezweifeln wir. Gleichzeitig eröffnet sich ein Dilemma: Um die Aussagen kritisch einzuordnen, müssen ihnen und Rottmann zwangsläufig eine Bühne gegeben werden. Das machen wir hier mit diesem Text auch schon. Andererseits ist es auch keine Option, sie einfach so stehen zu lassen. Das führt uns zum dritten Punkt.
- Durch die geschaffene Situation profitiert nur eine Partei: die AfD
Die Situation, die durch die Organisation dieser Veranstaltung entstanden ist, führt dazu, dass mit jedem Ausgang und jeder Reaktion nur Rottmann profitieren wird!
- Wenn sie seinen Auftritt kurzfristig absagen würden (was nicht passieren wird), kann er das skandalisieren.
- Wenn er auf die Bühne kommt und dort redet verbreitet er seine Inhalte. Rottmann tritt übrigens auch nicht als Brandredner auf und vermeidet verbale Eskalation wie andere AfDler, daher wird er oft als “gemäßigt” eingeschätzt – “ist ja gar nicht so schlimm der Typ” ist der Eindruck der dann bleibt.
- Und falls er dabei gestört wird, kann das erneut skandalisiert werden.
Durch den nicht-offenen und intransparenten Umgang mit der Einladung Rottmanns (die Veranstaltung wurde bis zu dieser Woche als “Podiumsdikussion mit Bundestags-wahlkandidaten” angekündigt) entsteht die Situation, dass es keine anderen Optionen gibt. So werden Gegenproteste, Kritik und Widersprüche erschwert –
Ist das der offene, argumentative und demokratische Diskurs, den wir wollen?
Aus diesen Gründen finden wir es schade und sind enttäuscht, dass dieser Rhetorik und dieser Politik im Roxy ein Platz gegeben wird. Und wir finden es wichtig, das öffentlich zu sagen und auszutragen.
Wir sind mit Sicherheit nicht die einzigen Roxy-Besucher*innen, die sich so fühlen.
Wir würden uns wünschen, dass das Roxy und die VH in Zukunft konsequenter für ihre Werte einstehen. Vor einer Woche schienen sich doch tausende Menschen auf dem Münsterplatz einig zu sein: Wir müssen klare Kante gegen die AfD und den Rechtsruck zeigen.
Ihr seid auch enttäuscht? Schreibt dem Roxy, kommentiert das Statement und überlegt euch, ob und wie ihr, an dieser Veranstaltung teilnehmen wollt!